Über Wissensallianzen und transdisziplinäre Wissenschaft
Als Einstieg näherte sich Andreas Novy von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) dem Thema Transdisziplinarität und Wissensproduktion im Kontext der Stadtforschung.
Die Herausforderung beim transdisziplinären Forschen sieht Novy vorwiegend in der Organisation, bei der man sich die Frage stellen müsse, wie gesellschaftliches Wissen produziert wird und wie man mit möglichst unterschiedlichen AkteurInnen in Kontakt treten kann. Die Kernidee der transdisziplinären Stadtforschung sei, Menschen mit verschiedenen Kompetenzen zusammenzubringen. |
Transdisziplinäre Stadtforschung Zwei Projekte im Vergleich
Anschließend wurden zwei internationale Stadtforschungsprojekte in Form eines Interviews durch Moderator Gerald Faschingeder (Direktor des Paulo Freire Zentrums) vorgestellt. Am Podium wurde das Projekt Vielfalt der Kulturen ungleiche Stadt von Göksel Yilmaz, Politikwissenschaftler und türkischer Muttersprachenlehrer an der KMS 18, und das Projekt Social Polis: Social Platform for Cities and Social Cohesion von Sarah Habersack vertreten.Yilmaz beschrieb als Hauptaugenmerk des Projektes Ungleiche Vielfalt die Erforschung der Lebensrealitäten von SchülerInnen, wobei sich diese aktiv als ForscherInnen am Prozess beteiligen. Um den von Novy verwendeten Begriff der Wissensallianzen zu veranschaulichen, brachte Yilmaz einige konkrete Beispiele aus dem Projektalltag. Die Wissensallianz setze sich in diesem Fall aus den SchülerInnen in ihrer Funktion als AlltagsexpertInnen, den WissenschaftlerInnen wie Andreas Novy, der die größeren Zusammenhänge im Auge habe und den LehrerInnen mit ihren Erfahrungen aus dem Unterricht zusammen. Es gebe außerdem zwei Orte des Wissensaustausches: einerseits die Steuerungsgruppe des Projektes und andererseits die Forschungsteams bestehend aus SchülerInnen und StudentInnen, in denen der tatsächliche Forschungsprozess stattfinde.
Theoriearbeit als große Herausforderung
Eine der fünf Fragen des Moderators widmete sich der Relevanz von Theoriearbeit, die Yilmaz als sehr bedeutenden Teil des Projektes beschrieb. Es sei unerlässlich für das Funktionieren des Projektes, dass genau hinterfragt werde, was zum Beispiel Kultur bedeuten könne oder wo die Unterschiede zwischen sozialer Ungleichheit und kultureller Vielfalt lägen, um die Lebensrealitäten der Jugendlichen verstehen zu können. Vor allem in der Steuerungsgruppe finde teils sehr intensive Theoriearbeit statt, bei den SchülerInnen stieße man jedoch aufgrund sprachlicher und kognitiver Fähigkeiten oft auf Grenzen.Schließlich wollte Faschingeder noch mehr über den konkreten Mehrwert des Projektes für die KMS 18 wissen. Yilmaz erzählte daraufhin erfreut über zahlreiche wertvolle Gewinne für die Schule. Neben der Kontaktaufnahme mit dem Nachbargymnasium in der Klostergasse auf SchülerInnen- und LehrerInnenebene nannte er auch die große öffentliche Anerkennung der Schule und die Kontakte zur Wissenschaft durch Zusammenarbeit mit StudentInnen und ForscherInnen als bereichernden Mehrwert.
Unterschiedliche Dimensionen zusammendenken
Im Anschluss war Sarah Habersack am Zug, um den Stellenwert von Theoriearbeit im nun auslaufenden Projekt Social Polis, in dem sie als Project Assistent arbeitet, zu definieren. Sie beschrieb das Projekt grundsätzlich als einen ersten Versuch auf EU-Ebene, AkteurInnen der Stadtforschung aus Theorie und Praxis zusammen zu bringen, um sich mit sozialem Zusammenhalt in Städten zu beschäftigen. Auf der einen Seite, so Habersack, habe man zuerst den Begriff des sozialen Zusammenhaltes klären und schärfen müssen, um eine geeignete Basis für die Zusammenarbeit so vieler TeilnehmerInnen zu schaffen. Auf der anderen Seite ging es darum, möglichst unterschiedliche gesellschaftliche Dimensionen sozialen Zusammenhaltes zu identifizieren und zusammen zu denken. Laut Habersack würden der Arbeitsmarkt und Bürgerrechte in Bezug auf den sozialen Zusammenhalt in einer Stadt eine ebenso große Rolle spielen wie Kultur oder der Umgang mit natürlichen Ressourcen.Organisation und Übersetzungsarbeit
Bei der Frage nach der Beziehung zwischen ForscherInnen und PraktikerInnen konnte Habersack bereits über gewonnene Erkenntnisse berichten. Im Projekt wurde vor allem sichtbar, wie groß die Unterschiede zwischen den verschiedenen institutionellen Logiken eigentlich sind. Diesbezüglich schlug sie vor, bei zukünftigen Projekten einen stärkeren Fokus auf Organisation und Übersetzungsarbeit zu legen.Zum Schluss wies Habersack noch auf die Bedeutsamkeit einer nachhaltigen Entwicklung der Zusammenarbeit hin, bis jetzt gebe es jedoch keine Förderung seitens der EU-Kommission.
Im anschließenden Weltcafé konnten sich die zahlreich erschienenen TeilnehmerInnen des Symposiums in zwei Runden über die für sie größten Herausforderungen im transdisziplinären Arbeiten austauschen.